6. Oktober 2025
Bulgarien geschichte

Bulgarien – eine lange Geschichte zwischen Aufstieg, Fremdherrschaft und Neubeginn

Die Geschichte Bulgariens ist eine der ältesten und zugleich dramatischsten in Europa. Sie reicht zurück bis in die Antike, als thrakische Stämme die fruchtbaren Ebenen und Gebirge des heutigen Landes bevölkerten. Diese Thraker waren nicht nur Bauern und Krieger, sondern hinterließen bis heute Spuren in Goldschätzen, Grabmälern und Legenden, die später von Griechen und Römern überliefert wurden. Mit der Eroberung durch Rom wurde das Gebiet Teil des Imperiums, und viele Städte wie Plovdiv oder Sofia tragen noch heute römische Schichten in ihrem Fundament.

Im Mittelalter trat Bulgarien dann aus dem Schatten der Antike heraus und wurde zu einer Großmacht. Im Jahr 681 gründeten die Protobulgaren unter Khan Asparuch das Erste Bulgarische Reich, das von Byzanz anerkannt wurde. In den folgenden Jahrhunderten wuchs Bulgarien zur dominierenden Kraft auf dem Balkan. Unter Khan Krum und später Zar Simeon dem Großen im 10. Jahrhundert erreichte das Reich eine Blütezeit, territoriale Expansion, kulturelle Strahlkraft und die Herausbildung einer eigenständigen slawischen Schrifttradition. Das Kyrillische, das heute in weiten Teilen Osteuropas benutzt wird, hat hier seinen Ursprung. Doch wie so oft in der Geschichte folgte auf den Glanz auch der Niedergang.

Byzanz, interne Machtkämpfe und der Druck von außen führten zur Schwächung. Das Zweite Bulgarische Reich konnte im 12. und 13. Jahrhundert noch einmal aufsteigen, bevor es im 14. Jahrhundert endgültig unter die Herrschaft des Osmanischen Reiches geriet. Fast 500 Jahre lang blieb Bulgarien eine Provinz im Vielvölkerreich der Osmanen. Diese Zeit war geprägt von Unterdrückung, aber auch von einer erstaunlichen Bewahrung der eigenen Identität. Die orthodoxe Kirche, Klöster in den Bergen und heimliche Schulen hielten Sprache und Kultur lebendig, bis im 19. Jahrhundert die nationale Wiedergeburt begann.

Die bulgarische Wiedergeburtsbewegung brachte Dichter, Revolutionäre und Freiheitskämpfer hervor. Namen wie Wassil Lewski oder Christo Botev sind bis heute nationale Ikonen. Der russisch-türkische Krieg von 1877/78 führte schließlich zur Befreiung und zur Gründung des modernen bulgarischen Staates. Russland spielte dabei eine doppelte Rolle, Befreier vom Osmanischen Reich, aber zugleich künftiger Schatten über der bulgarischen Politik.

Das junge Bulgarien suchte im 20. Jahrhundert seinen Platz. Es beteiligte sich an den Balkankriegen, kämpfte im Ersten und Zweiten Weltkrieg, meist auf der Seite der Verlierer. Territorialverluste, politische Krisen und wirtschaftliche Probleme machten das Land anfällig für Einfluss von außen. Nach 1944, mit dem Einmarsch der Roten Armee, begann eine neue Epoche, Bulgarien wurde Teil des sowjetischen Machtblocks.

Unter Todor Schiwkow entwickelte sich Bulgarien zu einem der treuesten Satelliten Moskaus. Die kommunistische Partei herrschte unangefochten, Opposition war verboten, und die Geheimpolizei kontrollierte weite Teile des Alltags. Wirtschaftlich orientierte sich Bulgarien streng an den Planvorgaben der Sowjetunion, Schwerindustrie, Landwirtschaftskollektivierung, zentral gesteuerte Produktion. Gleichzeitig war Bulgarien im Ostblock bekannt für seine Rolle als „Musterknabe“. Schiwkow versuchte sogar zeitweise, Bulgarien enger an die Sowjetunion anzuschließen, bis hin zu Vorschlägen, das Land in eine Art Unionsrepublik zu verwandeln.

Das Leben unter sowjetischem Einfluss war ein Widerspruch. Auf der einen Seite brachte die Industrialisierung Bildung, Arbeitsplätze und eine gewisse soziale Sicherheit. Frauen spielten eine vergleichsweise starke Rolle im Berufsleben, Analphabetismus wurde nahezu ausgerottet. Auf der anderen Seite herrschte geistige Enge, Zensur, Mangelwirtschaft und die ständige Angst, ins Visier der Staatssicherheit zu geraten. Wer sich gegen das Regime stellte, riskierte Karriere, Freiheit oder Schlimmeres.

Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks brach auch das kommunistische System in Bulgarien zusammen. 1989 stürzte Schiwkow, und das Land trat in eine chaotische Phase der Transformation ein. Die 1990er Jahre waren geprägt von wirtschaftlichem Zerfall, Inflation und der Entstehung einer neuen Oligarchie. Gleichzeitig öffnete sich Bulgarien nach Westen, suchte den Weg in NATO und EU, um sich endgültig aus dem Schatten Moskaus zu lösen.

Heute ist Bulgarien Mitglied beider Bündnisse, doch die Vergangenheit ist allgegenwärtig. Die jahrhundertelange Fremdherrschaft, die ambivalente Rolle Russlands als Befreier und Beherrscher, und die Jahrzehnte sowjetischer Dominanz haben das Land geprägt. Noch immer spalten diese Erinnerungen die Gesellschaft, für manche ist Russland ewiger Bruder, für andere ewiger Vormund.

Die Geschichte Bulgariens ist damit eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, vom mittelalterlichen Glanz über die osmanische Nacht bis hin zur kommunistischen Diktatur und der schwierigen Freiheit der Gegenwart. Was sie einzigartig macht, ist die erstaunliche Fähigkeit des Landes, trotz aller Brüche seine Identität zu bewahren. Bulgarien hat gelernt, zu überleben, sich neu zu erfinden und immer wieder aufzustehen. Es ist ein Land, das nie lange stillsteht  und dessen Vergangenheit sich tief in die Gegenwart eingräbt.

🔔 Verpasse keinen Beitrag!


Mit der Anmeldung akzeptierst du unsere Datenschutzerklärung.

Der Autor

Copyright © WebWerk Bulgarien. Alle Rechte vorbehalten.
Zurück