6. Oktober 2025
Bulgarien s1

Wenn Rentner nach Bulgarien ziehen – Das S1, die Krankenkassen und die bittere Wahrheit über Betriebsrenten

Wer als deutscher Rentner nach Bulgarien auswandert, nimmt seine Rente mit und muss gleichzeitig seine Absicherung im Krankheitsfall neu ordnen. Die entscheidende Weiche dafür ist das sogenannte S1-Formular. Es wird von der deutschen Krankenkasse ausgestellt und muss in Bulgarien bei der Nationalen Krankenversicherungskasse (NHIF) eingereicht werden. Erst dann gilt man offiziell als in Bulgarien versichert, mit allen Rechten und Pflichten, die bulgarische Versicherte haben. Deutschland übernimmt im Hintergrund die Finanzierung, aber die Leistungen richten sich nach bulgarischem Recht. Genau das sorgt bei vielen Auswanderern für Unmut, man zahlt in Deutschland Beiträge wie gewohnt, bekommt in Bulgarien aber nur das Leistungsniveau vor Ort.

Das Einreichen des S1 ist trotzdem unverzichtbar, ohne Registrierung bei der NHIF hat man keinen Anspruch auf die reguläre medizinische Versorgung im bulgarischen System. Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte oder Medikamente müssten dann privat bezahlt werden, und die Kosten werden von der deutschen Kasse in der Regel nicht erstattet. Wer also denkt, er könne sich das S1 „sparen“ und sich bei Bedarf in Deutschland behandeln lassen, geht ein hohes Risiko ein, denn für Behandlungen im Ausland ohne S1 fehlt die rechtliche Grundlage. Wer dauerhaft in Bulgarien lebt, kommt um die Anmeldung nicht herum, wenn er nicht im Ernstfall auf Rechnungen sitzen bleiben will.

Parallel dazu läuft in Deutschland die Beitragspflicht weiter und hier zeigt sich die eigentliche Schieflage. Aus der gesetzlichen Rente werden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen, die Rentenversicherung zahlt dabei ihren Anteil. Bei Betriebsrenten wie der VBL ist die Lage noch deutlicher, sie werden in voller Höhe mit Beiträgen belastet. Zwar gibt es seit 2020 in der Krankenversicherung einen Freibetrag, der 2025 bei 187,25 Euro im Monat liegt. Das bedeutet, erst Beträge oberhalb dieser Grenze werden beitragspflichtig, aber die Pflegeversicherung kennt keinen Freibetrag, sondern nur eine Freigrenze. Liegt die Betriebsrente über dieser Grenze, 2025 sind es 176,75 Euro, dann wird die gesamte Betriebsrente verbeitragt, nicht nur der übersteigende Teil. Für viele Betroffene bedeutet das spürbare Abzüge, die Monat für Monat von der Betriebsrente verschwinden.

Das Ergebnis ist ein doppelter Nachteil. In Deutschland werden die vollen Beiträge erhoben, auch auf Versorgungsbezüge wie die VBL, während die Versorgung in Bulgarien nicht nach deutschem Standard, sondern nach den Regeln der NHIF erfolgt. Ein deutscher Rentner zahlt also wie ein Versicherter in Deutschland, wird in Bulgarien aber behandelt wie ein bulgarischer Versicherter. Genau diese Lücke sorgt seit Jahren für Frustration. Viele Betroffene haben gegen die Verbeitragung von Betriebsrenten geklagt, doch die Rechtsprechung ist klar. Das Bundessozialgericht und auch das Bundesverfassungsgericht haben das System im Kern bestätigt. Nur in seltenen Sonderfällen, etwa bei bestimmten Pensionskassenleistungen, gibt es Ausnahmen. Für den Großteil der Rentner gilt, zahlen ohne Wenn und Aber.

Damit wird das S1 zu einem doppelten Symbol. Einerseits ist es die einzige Möglichkeit, die medizinische Versorgung im Wohnstaat rechtlich sauber abzusichern. Ohne S1 hat man faktisch keinen Anspruch auf reguläre Versorgung. Andererseits markiert es genau die Schnittstelle, an der der Widerspruch sichtbar wird, deutscher Beitrag, bulgarische Leistung. Ein System, das europarechtlich korrekt konstruiert ist, im Alltag aber wie ein Schlag ins Gesicht wirkt.

Für Betroffene heißt das, wer nach Bulgarien geht, muss das S1 einreichen, um überhaupt abgesichert zu sein. Wer zusätzlich eine Betriebsrente hat, muss die Abzüge einkalkulieren, in voller Härte. Die Hoffnung auf juristische Abhilfe ist gering, die politischen Signale sind bisher schwach. Am Ende bleibt nur Aufklärung, damit niemand blauäugig auswandert und im Krankheitsfall oder bei der ersten Betriebsrente überrascht wird. Das ist die nüchterne Wahrheit, wer in Deutschland Beiträge zahlt, erhält in Bulgarien Leistungen auf bulgarischem Niveau, alles andere wäre Wunschdenken.

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