6. Oktober 2025
Polizei

Mythos Polizei schützt alle gleichermaßen

Der Glaube hält sich hartnäckig. In einem Rechtsstaat wie Deutschland sorgt die Polizei dafür, dass jeder Bürger, ob reich oder arm, ob aus der Großstadt oder vom Land, gleichermaßen geschützt ist. Sicherheit soll ein Grundrecht sein, getragen von einem neutralen Gewaltmonopol, das einzig der Ordnung und dem Gesetz verpflichtet ist. In der Theorie klingt das beruhigend, fast tröstlich. Doch wer genauer hinschaut, erkennt, dieses Bild ist längst ein Mythos. Die Realität ist eine Polizei, die vielerorts überfordert, politisch ausgebremst und rechtlich gefesselt ist, ein Apparat, der immer weniger in der Lage ist, das Versprechen von Sicherheit einzulösen.

Die Zahlen allein sprechen eine klare Sprache. Über Jahre hinweg wurden Planstellen abgebaut, Ausbildungsquoten gesenkt und der Beruf durch schlechte Bezahlung und endlose Überstunden unattraktiv gemacht. Heute fehlen in Deutschland zehntausende Polizisten. Ganze Reviere sind chronisch unterbesetzt, Streifen fahren nicht mehr rund um die Uhr, sondern bestenfalls sporadisch. Währenddessen steigt die Zahl der Einsätze, die Komplexität der Aufgaben, und die Gesellschaft erwartet gleichzeitig eine Polizei, die alles kann, Terror verhindern, Clans bekämpfen, Demonstrationen begleiten, Verkehr regeln, Prävention leisten. Es ist die Quadratur des Kreises und sie scheitert jeden Tag sichtbar.

Hinzu kommt eine politische Zurückhaltung, die an Selbstverleugnung grenzt. Polizisten berichten offen, dass sie in bestimmten Vierteln, in denen Clanstrukturen oder aggressive Milieus dominieren, nur noch mit Vorsicht agieren. Man lässt Brennpunkte lieber laufen, statt mit voller Härte des Gesetzes durchzugreifen, aus Angst vor medialer Empörung oder politischer Debatte. Wer zu hart durchgreift, riskiert Schlagzeilen, Klagen, interne Verfahren. Das Ergebnis ist eine Sicherheitsarchitektur, die ausgerechnet dort schwächelt, wo sie am meisten gebraucht würde. Der Bürger, der im falschen Moment am falschen Ort Opfer einer Straftat wird, merkt dann schmerzhaft, der Mythos vom gleichen Schutz für alle existiert nur noch auf dem Papier.

Rechtsunsicherheit verstärkt das Dilemma. Kaum ein Beamter weiß heute noch, wie weit er gehen darf, ohne am Ende selbst zum Angeklagten zu werden. Körperliche Gewalt, der Einsatz von Hilfsmitteln, selbst banale Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen, alles wird juristisch zerpflückt. Was bleibt, ist eine Polizei, die oft zögert, wo sie handeln müsste, und die im Zweifel lieber wegsieht, als sich im Nachgang durch endlose Gerichtsverfahren zermürben zu lassen. Das Vertrauen in den Schutz schwindet damit doppel, Bürger sehen die Schwäche, Beamte fühlen die eigene Ohnmacht.

In dieser Gemengelage ist die Vorstellung einer Polizei, die alle gleichermaßen schützt, kaum mehr haltbar. Wer in wohlhabenden Vierteln lebt, sich teure Sicherheitssysteme leisten kann und notfalls private Dienste bezahlt, ist deutlich besser abgesichert als der Normalbürger, der auf die Präsenz der Polizei angewiesen ist. Wer einflussreich ist, erlebt Sonderbehandlungen, während der kleine Mann stundenlang auf Hilfe warten muss. Wer auf dem Land lebt, weiß längst, dass es Regionen gibt, in denen nachts schlicht keine Streifen unterwegs sind. Der Schutz ist nicht gleich verteilt, er ist ein Flickenteppich geworden, in dem jeder selbst sehen muss, wo er bleibt.

Dieser Zustand ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern eine fundamentale Gefahr für den Rechtsstaat. Denn wenn Bürger das Gefühl verlieren, gleichermaßen geschützt zu sein, dann zerbricht das Vertrauen in die Institutionen. Was bleibt, ist das blanke Empfinden, im Stich gelassen zu werden und das ist Gift für jede Gesellschaft. Der Mythos Polizei, einst Garant für Sicherheit und Ordnung, droht zur hohlen Parole zu verkommen.

Wer ehrlich hinschaut, muss sagen, die Polizei schützt nicht mehr alle gleichermaßen. Nicht, weil die Beamten versagen, sondern weil man sie politisch und strukturell in eine Situation manövriert hat, die ein Scheitern unausweichlich macht. Der Bürger hat das Nachsehen, und mit ihm das Vertrauen in einen Staat, der sein zentrales Versprechen nicht mehr einlöst.

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