
Lieferengpässe bei Medikamenten – Wenn Profit wichtiger ist als Menschenleben
Es gibt Dinge, die in einem reichen, angeblich hochentwickelten Land nicht vorkommen dürften, dass Menschen im Winter in schlecht isolierten Wohnungen frieren, ist schon ein Skandal. Dass Menschen auf Intensivstationen sterben, weil nicht genügend Pflegekräfte da sind, ist ein noch größerer. Doch dass in Deutschland 2025 lebenswichtige Medikamente knapp werden, während gleichzeitig Milliarden für Prestigeprojekte, Auslandseinsätze und Subventionen verschleudert werden, ist ein moralischer Offenbarungseid.
Die Verantwortlichen erklären uns seit Jahren, Lieferengpässe seien ein globales Problem. Produktionsstandorte seien nach Indien oder China verlagert worden, die Abhängigkeit sei eben Teil der Globalisierung. Das klingt nach Sachzwang, nach unvermeidbarer Entwicklung. Doch in Wahrheit war es eine bewusste Entscheidung. Politik und Pharmakonzerne haben gemeinsam zugelassen, dass die Herstellung von Antibiotika, Schmerzmitteln und Krebspräparaten ausgelagert wird, weil es billiger war. Es ging nie um Versorgungssicherheit, sondern um Profite. Die Rechnung zahlen nun die Patienten, die in der Apotheke vor leeren Regalen stehen.
Noch zynischer wird es, wenn man hört, dass Ministerien von „vorübergehenden Störungen“ reden. Wer auf ein Antibiotikum angewiesen ist, weil eine Lungenentzündung sein Leben bedroht, dem hilft kein bürokratischer Euphemismus. Für ihn entscheidet das Fehlen eines Medikaments zwischen Leben und Tod. Doch anstatt die Produktionsketten konsequent zurückzuholen, anstatt nationale Reserven aufzubauen, anstatt Gesundheit endlich als das zu behandeln, was es ist, eine Grundvoraussetzung für Würde und Leben, vertröstet man die Bürger mit Phrasen.
Es zeigt sich hier ein System, das im Kern verrottet ist. Pharmaunternehmen scheffeln Rekordgewinne, während gleichzeitig billigste Generika in Asien zusammengepanscht werden. Politiker schütteln auf Konferenzen Hände und loben die angebliche Innovationskraft der Branche, während Kinder mit Fieber ohne Fiebersaft nach Hause geschickt werden. Wer da noch von „Einzelfällen“ spricht, macht sich mitschuldig.
Die eigentliche Entlarvung liegt darin, dass dieses Land im Notfall alles kann, wenn es nur will. Für Bankenrettungen waren plötzlich Milliarden da. Für Waffenlieferungen in Kriegsgebiete werden ganze Haushaltslöcher aufgerissen. Doch wenn es darum geht, die eigene Bevölkerung mit Medikamenten zu versorgen, soll es unmöglich sein, Produktionsstätten zu sichern? Das ist keine Ohnmacht, das ist politischer Wille – oder besser gesagt: politischer Unwille.
Die Wahrheit ist, wer Menschen ohne Medikamente lässt, sagt damit, dass ihr Leben weniger wert ist als der nächste Handelsdeal, weniger wert als der nächste Haushaltsüberschuss, weniger wert als das nächste Aktienpaket eines Pharmakonzerns. Es ist Verrat an den Schwächsten, und es ist ein Verrat an der Idee von Staatlichkeit selbst. Denn wozu gibt es überhaupt eine Regierung, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, die Grundversorgung ihrer Bürger zu sichern?
Man sollte aufhören, über Lieferengpässe zu reden, als handele es sich um Naturkatastrophen. Es sind keine Stürme, die vom Himmel fallen. Es sind hausgemachte Krisen, Folge von Gier, Kurzsichtigkeit und politischer Feigheit. Solange das nicht klar benannt wird, wird sich nichts ändern und solange nichts geändert wird, bleibt der Satz unausweichlich: Dieser Staat hat seine Kranken im Stich gelassen.
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