6. Oktober 2025
Krankenhauskeime

Die unsichtbare Seuche – Wie Krankenhauskeime uns im 21. Jahrhundert töten

Man geht ins Krankenhaus mit einer einfachen Erkrankung, manchmal nur für eine Operation, die in der modernen Medizin längst Routine sein sollte. Doch nicht selten verlässt man es, wenn überhaupt mit einer Infektion, die schlimmer ist als die ursprüngliche Krankheit. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern bittere Realität. Denn hinter den weißen Wänden unserer Kliniken lauert eine unsichtbare Gefahr, von der kaum jemand spricht, multiresistente Krankenhauskeime.

Es sind stille Killer, unspektakulär, ohne Schlagzeilen, keine Bilder von Explosionen, keine Katastrophenszenen für die Abendnachrichten. Dafür jedes Jahr hunderttausende Tote weltweit. In Europa schätzt das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), dass jährlich über 33.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Keimen sterben. Allein in Deutschland geht das Bundesgesundheitsministerium von bis zu 20.000 Toten pro Jahr aus, eine Zahl, die in Wahrheit deutlich höher liegen dürfte, weil Infektionen in den offiziellen Statistiken oft verschleiert werden.

Die gefährlichsten Erreger sind dabei nicht nur Candida auris, sondern ein ganzes Arsenal von Gegnern: MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken), ESBL-bildende Enterobakterien, Acinetobacter baumannii, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa. Jeder dieser Keime hat seine eigene Tücke, manche haften auf Kathetern, andere lauern in Beatmungsschläuchen, wieder andere in der normalen Darmflora, werden aber unter Antibiotika-Druck zur tödlichen Gefahr.

In den USA meldete die Gesundheitsbehörde CDC 2019 rund 2,8 Millionen Infektionen durch resistente Keime und mindestens 35.000 Todesfälle pro Jahr. Weltweit geht die Weltgesundheitsorganisation inzwischen von 1,27 Millionen direkten Todesfällen jährlich durch resistente Erreger aus, mit steigender Tendenz. Das sind keine hypothetischen Szenarien, das sind nackte Zahlen.

Was diese Keime verbindet, ist ihr Resistenzmuster. Sie haben gelernt, gängige Antibiotika oder Antimykotika zu überleben, und jede Antibiotikagabe im Klinikalltag verstärkt diesen Selektionsdruck. So entstehen Supererreger, die gegen fast alle verfügbaren Medikamente immun sind. Ärzte stehen dann vor Patienten, für die es schlicht keine wirksame Behandlung mehr gibt.

Besonders perfide ist die Unsichtbarkeit nach außen. In Fachartikeln wird seit Jahren gewarnt, aber in der breiten Öffentlichkeit herrscht Schweigen. Kaum jemand erfährt, dass er sich im Krankenhaus nicht nur einer Operation unterzieht, sondern gleichzeitig einem kaum kontrollierbaren Risiko ausgesetzt ist. Manche Länder wie die USA oder Großbritannien veröffentlichen relativ offen Statistiken, in Deutschland und auch in Bulgarien wird das Problem eher kleingeredet. Offiziell ist von „mehr Hygiene“ die Rede, inoffiziell wissen Ärzte längst, dass das Ausmaß außer Kontrolle ist.

Die Gefahr ist damit zweischneidig, auf der individuellen Ebene für den Patienten, der durch eine Infektion nach einem eigentlich gelungenen Eingriff ums Leben kommt. Und auf der gesellschaftlichen Ebene, wo sich still ein postantibiotisches Zeitalter anbahnt, eine Zukunft, in der Routineeingriffe wieder lebensgefährlich sein können, weil kleinste Infektionen unbehandelbar werden.

Die Wahrheit ist brutal, wer heute ins Krankenhaus geht, geht nicht nur gegen seine Krankheit an, sondern auch gegen eine unsichtbare, tödliche Gefahr. Ein Schnitt, eine Wunde, eine Infusion, all das kann reichen, um Opfer eines unsichtbaren Feindes zu werden. Wir leben in einer Welt, in der man nicht mehr nur Angst vor der Krankheit haben muss, die einen ins Krankenhaus bringt, sondern vor der, die man sich dort einfängt.

Und das, was am meisten erschreckt, ist nicht der Keim selbst, es ist das Schweigen, das ihn umhüllt.

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