
Das Geschäft mit dem Tod – Warum das neue Bestattungsgesetz ein Befreiungsschlag ist
Der Tod ist das letzte Tabu unserer Gesellschaft und das letzte große Geschäft. Wer einen geliebten Menschen verliert, wird nicht nur von Schmerz überwältigt, sondern auch von einer Industrie, die seit Jahrzehnten gelernt hat, Trauer in bare Münze zu verwandeln. Sargzwang, Friedhofszwang, endlose Gebühren für Grabstellen, Wartungen, Steinmetze, Pflege, all das hat eine „Bestattungsmafia“ hervorgebracht, die Hinterbliebene bis ins Mark ausnimmt. Es ist ein Markt, der mit der Schwäche von Menschen arbeitet, die in Trauer weder verhandeln noch widerstehen können.
Nun wagt Rheinland-Pfalz einen Schritt, den man ohne Übertreibung als Befreiung bezeichnen kann. Das neue Bestattungsgesetz erlaubt Formen der Verabschiedung, die bislang entweder streng reglementiert oder verboten waren. Die Sargpflicht wird abgeschafft, Tuchbestattungen werden möglich, Asche kann geteilt oder zu Hause aufbewahrt werden, sogar Flussbestattungen in Rhein oder Mosel sind vorgesehen. Selbst das Verstreuen von Asche oder die Umwandlung in synthetische Diamanten wird legalisiert, wenn der Verstorbene dies zu Lebzeiten verfügt hat.
Für die Kirchen ist das ein Sakrileg, für konservative Politiker ein Angriff auf Traditionen. Doch in Wahrheit geht es um etwas anderes, es ist der Versuch, den Tod den Menschen zurückzugeben, anstatt ihn Institutionen und Geschäftemachern zu überlassen. Friedhöfe verlieren ihr Monopol, Bestatter ihre absolute Macht. Das bedeutet nicht den Verlust von Würde, sondern den Gewinn von Freiheit. Jeder Mensch soll selbst bestimmen können, wie er aus diesem Leben geht und wie die letzten Spuren verwahrt oder aufgelöst werden.
Die Kritik der Bestatterverbände ist aufschlussreich, sie warnen vor „Wildwuchs“, vor Missbrauch, vor einem angeblich sinkenden Respekt vor den Toten. Doch was hier wirklich verteidigt wird, sind jahrzehntelang gesicherte Einnahmequellen. Denn jede Urne, die nicht im Kolumbarium landet, jedes Grab, das nicht jahrelang bezahlt werden muss, ist für diese Industrie ein Verlust. Es ist diese enge Verbindung aus Bürokratie und Geschäft, die das Bestattungswesen in Deutschland zu einer Zumutung gemacht hat.
In anderen Ländern wird der Tod längst lockerer behandelt. In Bulgarien etwa, wo ich mit meiner Frau lebe, ist die Pietät nicht weniger vorhanden, aber sie ist frei von dieser erdrückenden Geschäftemacherei. Hier kann der Abschied persönlicher, direkter und menschlicher sein. Wir beide wissen genau, wie wir gehen wollen. Mein eigener Wunsch ist es, dass meine Asche eines Tages von einer Drohne über dem Schwarzen Meer verstreut wird. Kein Stein, kein Grab, keine Gebühren, sondern ein freier Abschied, der so vergänglich und zugleich so endgültig ist wie das Leben selbst.
Genau darum geht es bei dieser Reform, um Selbstbestimmung. Der Tod darf nicht länger ein Geschäftsfeld für Bürokraten und Bestattungsunternehmer sein, sondern muss wieder zu einer letzten Freiheit des Menschen werden. Wer zu Lebzeiten entscheidet, wie er verabschiedet werden will, der entreißt den Profitgeiern die Macht und gibt sich selbst das letzte Wort.
Das neue Bestattungsgesetz von Rheinland-Pfalz ist deshalb mehr als eine juristische Anpassung. Es ist ein Aufbruch, ein Schlag gegen jahrzehntelange Abzocke, ein Symbol dafür, dass selbst im Tod nicht alles vorgeschrieben und verkauft werden muss. Es sollte nicht auf ein Bundesland beschränkt bleiben, es sollte bundesweit gelten, als Ende einer unseligen Verbindung von Geschäft und Gedenken, als Beginn einer neuen Kultur des Abschieds.
Die letzte Freiheit, die wir haben, darf nicht am Friedhofstor enden. Sie gehört uns und niemandem sonst.
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