
Berlin, wie hast du dich verändert
Es gab eine Zeit, da war Berlin ein Versprechen. Für viele, die dort lebten oder in diese Stadt kamen, war sie mehr als ein Ort, sie war ein Gefühl, ein Symbol, ein Stück Freiheit in einer Republik, die sonst eher eng wirkte. Berlin, das war Abenteuer, Aufbruch, Kreativität, ein brodelndes Gemisch aus Geschichte und Zukunft. Für mich war es Heimat und Traumstadt zugleich. Heute, fünfunddreißig Jahre später, ist von diesem Traum nur noch wenig übrig. Die Stadt hat sich verändert, und nicht zum Guten.
Blicken wir zurück. Ende der Achtziger war West-Berlin eine Insel voller Gegensätze. Zwischen Mauer und Frontstadt-Flair wuchs ein Ort, in dem Subkultur blühte, Künstler Freiräume fanden, Studenten spottbillig lebten und die Stadt ihre Widersprüchlichkeit geradezu feierte. Nach der Wende wurde aus dieser Enklave die neue Hauptstadt. Viele verbanden damit Hoffnung, auf Einheit, auf kulturellen Aufschwung, auf eine Metropole, die international strahlt und zugleich ihren rebellischen Charme behält.
Doch was folgte, war ein schleichender Verrat an diesem Versprechen. Berlin ist heute zweifellos Weltstadt, aber zu welchem Preis? Die einst offenen Räume sind verdrängt von Immobilienhaien, die billigen Wohnungen verschwunden, Freigeister und Kreative längst in andere Städte gezogen. Wo früher ein alternatives Leben möglich war, stehen heute gesichtslose Glasfassaden, teure Lofts und sterile Bürogebäude. Die Stadt, die einmal durch Vielfalt und Unangepasstheit lebte, wird mehr und mehr zur Kulisse für Investoren.
Ein anderes Schlagwort der letzten Jahrzehnte ist Verfall. Man muss nur durch die Straßen gehen, um den Unterschied zu spüren. Marode Schulen, ein öffentlicher Nahverkehr, der an vielen Tagen kollabiert, Bahnhöfe voller Schmutz und Gestank. Die Verwaltung gilt als ineffizient, Termine im Bürgeramt sind ein Abenteuer, und Projekte wie der Flughafen BER oder die neue S-Bahn-Strecke sind Sinnbilder für Verschwendung und Unfähigkeit. Berlin war einmal berüchtigt für Improvisation, heute ist es berüchtigt für Dauerchaos.
Auch die Sicherheitslage hat sich verändert. Gewalt auf Bahnhöfen, organisierte Clankriminalität, offene Drogenszenen in Parks, das gehört längst zum Alltag. Der Mythos einer weltoffenen, sicheren Metropole ist zerbröckelt. Stattdessen regiert der Eindruck einer Stadt, die ihre Probleme verwaltet, statt sie zu lösen. Vieles, was früher als rau, aber herzlich galt, hat eine destruktive Dimension bekommen. Die Härte der Straße ist nicht mehr Ausdruck von Authentizität, sondern ein Symptom von Kontrollverlust.
Hinzu kommt die politische Selbstblockade. Rot-Grün-Rot hat die Stadt über Jahre mit Ideologie statt Pragmatismus regiert. Symbolpolitik ersetzt reale Verbesserungen. Es gibt endlose Diskussionen über Gender-Sprache oder autofreie Zonen, während Schulen verfallen, Polizeiwachen unterbesetzt bleiben und der Wohnungsmarkt explodiert. Die Verwaltung scheint mit sich selbst beschäftigt, Bürgernähe ist kaum erkennbar. Berlin wirkt nicht wie eine Hauptstadt, die Verantwortung trägt, sondern wie ein Experimentierfeld für politische Spielereien.
Und doch, was mich am meisten schmerzt, ist nicht der sichtbare Verfall, sondern der Verlust der Seele. Berlin war einmal ein Ort, der trotz aller Widrigkeiten Lebensfreude ausstrahlte. Es war eine Stadt, die Unangepasste willkommen hieß, die Platz für Exzentriker und Träumer bot. Heute wirkt vieles austauschbar, gleichgeschaltet, glattgezogen. Das, was diese Stadt einzigartig machte, geht im Rauschen einer überdrehten Globalisierung unter.
Berlin, wie hast du dich verändert. Aus der Traumstadt vieler ist ein Beispiel geworden für das, was in diesem Land schiefläuft, ein Mangel an Verantwortung, ein Übermaß an Ideologie, ein Verlust an Identität. Wer die Stadt noch kennt, wie sie einmal war, kann sich nur mit Wehmut abwenden, Heimat war einmal. Heute ist Berlin ein Symbol dafür, wie man eine Metropole systematisch gegen die Wand fahren kann.