Willkommen im neuen Irrenhaus – Eine Gesellschaft feiert ihre eigene Verblödung.
Es gab einmal eine Zeit, in der Erwachsene erwachsen waren. Eine Zeit, in der Menschen Verantwortung trugen, Entscheidungen trafen, ihre Zukunft ernst nahmen und in der Öffentlichkeit nicht den geistigen Zustand eines Vorschulkindes zur Schau stellten. Heute scheint diese Zeit eine Legende zu sein, eine romantische Erzählung aus einer Epoche, in der Würde, Realität und Verstand noch nicht als Zumutung galten. Wir leben in einem Zeitalter, in dem geistige Rückentwicklung nicht mehr als Problem gilt, sondern als Lifestyle. Und wer irritiert ist, gilt als rückständig, humorlos oder intolerant, das ist die große Verkehrung unserer Gegenwart, der Wahnsinn geht im Kostüm als Normalität.
Ich beobachte diese Entwicklung mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und unfreiwilliger Komik. Da reiten Erwachsene auf lackierten Holzpferden durch Turnhallen und nennen das Sport, mit ernster Miene, versteht sich. Erwachsene Menschen, mit Berufsabschlüssen, Hypotheken, Rentenversicherungen und einem Personalausweis, der ihnen beweist, dass sie volljährig sind. Sie traben über Hürden wie Kinder in einem Fantasiespiel und erwarten, dass die Welt sie dafür bewundert, früher hätte man sie diskret zur Seite genommen und gefragt, ob alles in Ordnung ist. Heute bekommen sie Sponsorenverträge, Influencer-Status und Dokumentationen im Fernsehen. Willkommen in einer Gesellschaft, die Realität gegen Infantilisierung eintauscht und dafür Applaus spendet.
Und es ist ja nicht so, dass diese Menschen nur irgendwo unbeachtet im Wald herumspielen. Nein, die ganze Szenerie wird digital in Szene gesetzt, sie filmen sich, präsentieren sich, inszenieren sich. Sie nennen sich Hengst, Stute oder Fantasiegestalt, als wäre das ein legitimer Ersatz für eine Identität. Wer darauf hinweist, dass es vielleicht ein kleines Problem gibt, wenn Erwachsene auf Spielzeug reiten und das auch noch ernst meinen, wird moralisch belehrt. Man müsse doch offen sein, Vielfalt respektieren, niemanden verurteilen. Offen wofür? Für Realitätsverlust als Hobby? Für die Normalisierung der Regression? Für die Abschaffung des gesunden Menschenverstands?
Intelligente Menschen sehen das und spüren, wie ihr Hirn sich innerlich gegen den Verfall wehrt. Man möchte lachen, aber das Lachen bleibt stecken, weil man ahnt, dass dieser Trend kein harmloser Spaß ist, es ist ein Symptom. Ein Zeichen dafür, dass immer mehr Menschen die Realität nicht mehr aushalten, statt Verantwortung zu tragen, flüchten sie in infantile Wohlfühloasen. Statt sich mit Politik, Gesellschaft, Bildung, Krisen und Zukunft auseinanderzusetzen, basteln sie sich Fantasiewelten, die ungefähr so stabil sind wie die geistige Reife, die sie dafür opfern. Die Flucht ins Kindische ist der bequemste Rückzug, denn im Kindergarten wird niemand mit Verantwortung belästigt.
Und dann kommt der Punkt, der weh tut, diese Menschen sind wahlberechtigt. Dieselben Personen, die auf einem Steckenpferd durch die Turnhalle galoppieren, halten in Deutschland den gleichen Stimmzettel in der Hand wie Ärzte, Ingenieure, Unternehmer oder Eltern, die real existierende Probleme lösen müssen. Demokratie bedeutet Gleichheit, und das ist gut, aber Demokratie hat einen blinden Fleck, sie erwartet eine Mindestbindung an die Realität. Wenn ein wachsender Teil der Bevölkerung die Welt durch eine rosa Glitzerbrille betrachtet, kann man sich ausmalen, was das auf dem Wahlzettel bedeutet. Man kann nicht im Hobbykostüm leben und gleichzeitig die Strapazierfähigkeit einer Gesellschaft verstehen, die an realen Fronten kämpft und dennoch tun sie genau das.
Ich kann mir bildlich vorstellen, wie diese Entwicklung weitergeht. Irgendwann steht man im Wahllokal, und hinter einem zurrt jemand sein Steckenpferd am Heizkörper fest, bevor er zur Urne schreitet. Vielleicht erklärt er mir dann noch, dass sein Fantasiehengst politisch links-liberal sozialisiert sei, aber im Herzen ein Freiheitskämpfer. Vermutlich wird es eine Doku darüber geben, vermutlich wird ein öffentlich-rechtlicher Sender rührselige Musik darunter legen.
Was mich dabei wirklich erschreckt, ist nicht der Wahnsinn selbst, sondern seine Mainstream-Tauglichkeit. Menschen, die den Verstand abmelden, werden in dieser Gesellschaft nicht mehr als Warnsignal erkannt, sondern als Ausweis von Toleranz, je absurder das Verhalten, desto größer die mediale Anteilnahme. Die neue Regel lautet, Realität ist optional, solange das Kostüm gut sitzt und niemand „böse Worte“ benutzt. Wer noch rational denkt, fühlt sich wie ein Museumsstück aus einer aussterbenden Art, während draußen das Bällebad zur Staatsreligion wird.
Und während ich diesen Irrsinn beobachte, bin ich froh, dass ich inzwischen in Bulgarien lebe. In einem Land, in dem die Leute noch viel zu viel mit echtem Leben beschäftigt sind, um Spaßidentitäten zu erfinden. Ein Land, das oft unterschätzt wird, aber in dem Realität, Bodenhaftung und gesunder Menschenverstand noch nicht als feindlich gelten. Und so hoffe ich inständig, dass diese kulturelle Epidemie des Blödsinns nicht auch hierher überschwappt, so wie so viele westliche Moden, die am Ende nur intellektuelles Gerümpel sind. Ich will dieses Elend nicht auch noch in meinen späteren Jahren vor der Haustür haben, ich möchte in einem Land leben, in dem Erwachsene nicht in Furry-Kostümen über Parkplätze laufen und danach politische Grundsatzfragen diskutieren wollen.
Vielleicht bin ich altmodisch, vielleicht bin ich einer der letzten, die sich weigern, die weiße Fahne der Verblödung zu hissen. Vielleicht bin ich einfach nur jemand, dem auffällt, dass diese Welt Verrückte produziert und sie dann feiert, solange sie laut genug sagen, dass es Selbstverwirklichung ist. Aber ich möchte meine letzten Jahrzehnte auf diesem Planeten nicht damit verbringen, zuzusehen, wie Menschen mit Stofftieren diskutieren und mir erklären, warum Realität diskriminierend ist. Wenn das die Zukunft ist, dann ist das kein Fortschritt, es ist ein Rückmarsch in die geistige Steinzeit, dekoriert mit Glitzer und Selbstliebe.
Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem ich morgens aufwache und vor meinem Fenster eine Horde erwachsener Menschen galoppieren sehe, jeder auf seinem Holzpferd, stolz, frei und komplett unbeschwert von so lästigen Dingen wie Realität oder Denkvorgängen. Vielleicht ziehen sie an mir vorbei, werfen Blumen, rufen „Sei offen! Sei tolerant! Lass dein inneres Pony frei!“ Und vielleicht stehe ich da, schaue aus meinem bulgarischen Fenster und frage mich, ob ich versehentlich in eine Parallelwelt gerutscht bin, in der geistige Entwicklung nur noch eine optionale Zusatzfunktion ist.
Falls es so weit kommt, werde ich am Ende doch kapitulieren. Ich werde mir ein Pferd aus einer Besenstange bauen, bunte Wollfetzen als Mähne drantackern und ins Dorf laufen. Nicht, weil ich mitspielen möchte, sondern weil es die einzige Art ist, zu beweisen, dass ich noch bei Verstand bin, denn in einer Welt, in der der Wahnsinn Normalität ist, gilt nur der Verrückte als gesund.
Aber bis dahin bleibe ich stur, ich halte mich an Realität, Logik und erwachsene Gehirnfunktionen. Vielleicht werde ich eines Tages als radikaler Extremist des gesunden Menschenverstandes eingestuft, vielleicht kommt ein Wissenschaftler und sagt, meine hartnäckige Bindung an die Realität sei ein Symptom. Vielleicht fordert jemand, mich zu therapieren, bis ich offen genug bin, mein „inneres Pony“ kennenzulernen.
Und falls dieser Tag kommt, habe ich nur eine einzige Bitte:
Gebt mir wenigstens ein richtiges Pferd.
Denn wenn ich schon im Wahnsinn reiten muss, dann wenigstens auf einem Tier, das nicht aus dem Baumarkt kommt.
Nachsatz
Und dann gibt es diese Steigerungsform des Irrsinns, bei der man sich fragt, ob die Evolution irgendwann einfach beschlossen hat, Pause zu machen, Hobbydogging. Menschen, die mit Leine spazieren gehen, aber ohne Hund. Sie marschieren stolz durch den Park, als würden sie ein unsichtbares Dackelchen führen, das jeden Moment „Sitz!“ macht, nur eben in einer Dimension, die der Rest der Welt nicht sehen kann. Man möchte fast danken, dass sie nicht anfangen, imaginäres Futter auf den Boden zu streuen.
Das Skurrile daran ist, dass niemand lacht, niemand zeigt mit dem Finger, niemand sagt „Alles klar, da hat jemand ein Date mit der Psychiatrie verpasst.“ Nein, im Gegenteil, die Gesellschaft hat inzwischen eine seltsame Höflichkeit entwickelt, die jeden Unsinn mit Respekt übergießt, solange er nur „Ausdruck“ ist. Da laufen erwachsene Menschen mit einer leeren Leine herum und man klatscht, man lobt, man tut so, als wäre das der nächste große Schritt menschlicher Bewusstseinsentwicklung. Irgendwo sitzt bestimmt ein selbsternannter „Coach für inneres Tierwohl“, der dafür Seminare anbietet.
Und dann kommen die unvermeidlichen Experten. Es gibt für jeden Trend jemanden, der ein Mikrofon ansteckt und erklärt, dass das alles ganz tief, ganz bedeutungsvoll, ganz therapeutisch sei. „Es geht um Präsenz, um Bindung, um Selbstfürsorge“, natürlich. Wenn die Leine leer ist, nennt man es Achtsamkeit, wenn jemand dasselbe ohne Leine macht, nennt man es Spaziergang.
Die psychologische Deutung ist stets dieselbe, Menschen brauchen Raum für ihre Gefühle. Schön und gut, aber irgendwann ist Schluss. Jemand, der imaginäre Haustiere ausführt, braucht keinen Applaus, er braucht vielleicht ein Gespräch, vielleicht zwei oder vielleicht ein realistisches Haustier. Vielleicht einfach ein Hobby, das nicht aussieht wie eine ausverkaufte Restposten-Version von Vernunft.
Das Traurige ist nicht das Hobbydogging selbst, das Traurige ist, dass sich dafür tatsächlich ein „Publikum“ findet. Menschen, die daneben stehen, ernst nicken und denken, „ja, das ist gesund, das ist Ausdruck, das ist die neue Normalität.“ Es ist wie ein kollektiver Test, den die Menschheit gerade nicht besteht, eine Zivilisation, die eine leere Leine feiert, hat irgendwo den Stecker zur Realität gezogen und zwar komplett.
Und wenn dann noch irgendwelche bedeutungsschwangeren „Therapeuten des Unsichtbaren“ auftreten und erklären, man müsse dieses Verhalten wertschätzen, weil es „inneres Wachstum“ fördere, dann möchte man ihnen sanft das Klemmbrett wegnehmen und sagen: „Nein, wirklich, so weit sind wir noch nicht, oder zumindest hoffe ich das.“
Manchmal frage ich mich, wie lange es dauert, bis jemand eine Tierschutzorganisation gründet, die unsichtbare Hunde vor unsichtbarer Vernachlässigung schützt, vielleicht folgt dann eine Impfkampagne gegen imaginäre Tollwut.
Sollte es so weit kommen, ziehe ich nach Sibirien.
Da ist wenigstens sicher, dass die Hunde echt sind.
