
Wenn Satire zur Gefahr erklärt wird – Das Exempel Dieter Nuhr
Dieter Nuhr gehört seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Kabarettisten des Landes. Er ist kein Krawallmacher, kein Hetzer, sondern ein feinsinniger Beobachter, der Widersprüche aufspießt und den Zeitgeist durch Ironie entlarvt. Doch wer heute in Deutschland wagt, gegen die herrschende Meinung zu sprechen, gerät schnell unter Beschuss. Genau das widerfährt Nuhr seit Jahren, er wird diffamiert, skandalisiert und von Teilen der Medien und Aktivistenszene systematisch ins Abseits gedrängt.
Besonders deutlich wurde das 2020, als die Deutsche Forschungsgemeinschaft Nuhr mit einem Beitrag zum Jubiläum betraute. In einer kurzen Videobotschaft warnte er davor, Wissenschaft auf den Status absoluter Wahrheit zu erheben, und erinnerte daran, dass sie von Zweifel und Debatte lebt. Eigentlich eine Binsenweisheit, die jedem Studierenden im ersten Semester vermittelt wird. Doch Nuhr sprach sie in einer Zeit aus, in der Wissenschaft im Kampf gegen Klimawandel und Pandemie zum quasi religiösen Heilsbringer erklärt wurde. Das Ergebnis, ein Sturm der Entrüstung, das Video wurde zunächst entfernt, Nuhr öffentlich verunglimpft. Erst nach massiver Kritik an dieser Zensur wurde das Video wieder online gestellt. Der Schaden war angerichtet, das Etikett „umstritten“ haftete fortan noch fester an seinem Namen.
Ähnlich lief es, als Nuhr die Radikalität mancher Klimabewegungen kritisierte. Er stellte nicht den Klimawandel an sich in Frage, sondern warnte davor, ihn zur moralischen Waffe zu machen und Andersdenkende zu dämonisieren. Wer differenzierte Kritik äußert, wird jedoch nicht mehr als Diskussionspartner behandelt, sondern in eine Ecke gedrängt. Medien stilisierten ihn prompt zum „Klimaleugner“, ein Schlagwort, das ihn in die Nähe jener schiebt, die wissenschaftliche Fakten bestreiten, obwohl er genau das Gegenteil tat, die Wissenschaft gegen Überhöhung verteidigen.
Auch seine pointierten Bemerkungen über überzogene Identitätspolitik oder Genderdebatten führten regelmäßig zu Shitstorms. Nuhr hinterfragt die Selbstgewissheit jener, die für sich moralische Unfehlbarkeit beanspruchen. Doch statt Auseinandersetzung folgt der moralische Bannstrahl. Aus einem Kabarettisten, der seit jeher Denkmuster seziert, wird ein angeblicher Demokratiefeind konstruiert.
Die Methode ist immer dieselbe, ein Satz wird aus dem Zusammenhang gerissen, Empörung wird organisiert, Schlagzeilen mit „umstritten“ werden produziert. Am Ende bleibt ein Bild hängen, das wenig mit dem tatsächlichen Menschen und Künstler zu tun hat.
Dabei zeigt gerade der Fall Nuhr, wie gefährlich diese Verengung des Diskurses ist. Kabarett lebt davon, dass es übertreibt, provoziert und auch weh tut. Wer einem Kabarettisten das Recht abspricht, Dinge auszusprechen, die unbequem sind, sägt an der Demokratie selbst. Die offene Gesellschaft braucht Stimmen wie die von Nuhr, gerade weil sie anecken. Dass er selbst als Verteidiger des offenen Wortes zum Ziel von Diffamierung wird, ist ein Alarmzeichen.
Dieter Nuhr ist kein Feind der Demokratie, er ist einer ihrer letzten prominenten Verteidiger in einer Kultur, die zunehmend nur noch Applaus für Konformität kennt. Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor und genau dieser Spiegel scheint manchen so unerträglich, dass sie lieber das Bild zerstören, statt sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen.
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