6. Oktober 2025
Maulkorb

Der freiwillige Maulkorb – über die deutsche Angst vor der Sperre

Es ist ein Satz, den man inzwischen täglich hört: „Wenn ich das schreibe, werde ich von Facebook gesperrt.“ Er wird mit einem Achselzucken ausgesprochen, als sei es ein Naturgesetz, dass man seine Meinung besser für sich behält, als riskieren könnte, für ein paar Tage aus einem digitalen Netzwerk ausgeschlossen zu werden, was für eine jämmerliche Kapitulation. Da sitzen die stolzen Deutschen, die sich selbst gern als freiheitsliebend und unbeugsam inszenieren, und geben bereitwillig ihren Mund ab, weil sie Angst haben, eine private Plattform könnte ihnen den Zugang zu Katzenbildern und belanglosen Chats verwehren.

Man muss es klar benennen, das ist Feigheit, nichts anderes. Nicht kluge Vorsicht, nicht strategisches Schweigen, sondern die pure Unterwerfung unter eine Macht, die nur so stark ist, wie man sie selbst macht. Wer aus Angst vor einer Sperre seine Meinung verschluckt, hat seine Stimme bereits verloren. Man verzichtet nicht nur auf Worte, sondern auf Würde. Man nimmt den Maulkorb nicht widerwillig hin, sondern setzt ihn sich freiwillig auf.

Die Ironie ist, dass dieselben Menschen, die sich über Politik, über Medien, über angebliche Eliten empören, bei der ersten kleinen Drohung einer Social-Media-Sperre einknicken. Wo ist der Mut, von dem so viele reden? Wo ist die berühmte deutsche Aufsässigkeit? Nichts davon ist übrig. Es bleibt eine Masse, die sich einschüchtern lässt, ohne dass je ein Polizist vor der Tür steht, ohne dass je ein Richter ein Urteil gesprochen hat. Es reicht das Gespenst einer digitalen Strafe, und schon ist das Volk still.

Natürlich kann man argumentieren, dass Sperren ärgerlich sind, dass sie Reichweite kosten, dass sie Existenzen bedrohen, wenn jemand beruflich auf Social Media angewiesen ist. Doch in Wahrheit ist das Problem ein anderes. Es ist nicht die Macht von Facebook, es ist die innere Schwäche der Menschen. Wer sich einschüchtern lässt, zeigt, dass er längst nicht mehr frei denkt, sondern nur noch kalkuliert, wie weit er gehen darf. So entsteht Selbstzensur, die viel gefährlicher ist als jede Zensur von außen.

Mit solchen Menschen kann man tatsächlich alles machen. Wer aus Angst vor einer Sperre schweigt, wird auch aus Angst vor staatlichen Strafen schweigen, aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, aus Angst vor dem Verlust von Bequemlichkeit. Es ist die alte Logik der Unterdrückung, man muss den Menschen nicht fesseln, wenn er bereit ist, sich selbst an die Kette zu legen.

Und doch stilisieren sich viele dieser Selbstverstummten noch immer als „Helden des Widerstands“. In Wahrheit sind sie nichts dergleichen. Helden sind diejenigen, die trotz Drohungen reden, die trotz Sanktionen schreiben, die bereit sind, Konsequenzen zu tragen. Alles andere ist nur Theater.

Deutschland ist heute ein Land, in dem der Maulkorb nicht erzwungen, sondern freiwillig getragen wird und das ist das eigentlich Tragische. Ein Volk, das sich so bereitwillig zum Schweigen bringen lässt, hat längst verlernt, frei zu sein.

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